Portugal

Ein Plädoyer für Stockfisch und Blutwurst

Superbock – cerveja nacional

Die Luft ist erfüllt vom intensiven, würzigen Duft der unzähligen Eukalyptusbäume, welcher sich mit brennendem Holz und salziger Meerluft vermischt. Langsam, als wäre die Zeit stehen geblieben, rattert der alte, ganz und ganz mit Sprayereien übersähte Bummelzug durch das grüne Hinterland von Porto. Ein kühles superbock stillt meine trockene Kehle und ich freue mich auf ein paar erholsame Tage in Portugal. Auch in kulinarischer Hinsicht…

Die portugiesische Küche stand lange im Schatten der ach so tollen Kochkunst des spanischen Nachbarn. Eigentlich tut sie das auch heute noch. Ausserhalb der portugiesischen Grenzen kennen und schätzen nur wenige die köstlichen Spezialitäten des kleinen Landes am äussersten Zipfel der iberischen Halbinsel und ein kulinarischer Siegeszug durch die halbe Welt, wie die Küchen Thailands, Japan und Indiens es in den letzten Jahren vorgemacht haben, blieb Portugal bisher verwehrt. Zu Unrecht wie ich finde…

Die Küche Portugals kann durchaus als eine einfache, unkomplizierte, ja beinahe bäuerliche Küche bezeichnet werden, in der regionale und saisonale Produkte einen grossen Stellenwert einnehmen. Frisch gebackenes Brot (mitunter sehr gutes!), Oliven, regionale Käsespezialitäten, geröstetes Fleisch und auf dem Grill vor sich hin zischende Fische und Meeresfrüchte bereichern landesweit beinahe unisono die Speisekarten. Hausmannskost par excellence!

Dabei gilt es stets drei einfach Grundregeln zu beachten:

1. Ledergürtel um ein Loch erweitern!
2. Probieren geht über Studieren!
3. Zeit zum Essen ist immer!

Torrada – voll fett!

Der kulinarische Tag beginnt früh und üppig in Portugal und bereits das Frühstück vermag zu verführen. Torrada lautet hier das Stichwort, eine Spezialität, welche jeder Portugalreisende mindestens einmal probiert haben sollte. Toastbrotscheiben, fingerdick geschnitten, werden verschwenderisch mit salziger Butter eingefettet, um danach knusprig und goldbraun getoastet zu werden. Die Butter schmilzt und und ertränkt dabei die daumendicken Toastscheiben in köstlichem, goldenem Fettstoff. Dazu eine heisse Tasse café com leite. Milchkaffee, genau!
Was für ein Start in den Tag! Auch wenn vielleicht -aus rein gesundheitlicher Sicht- nicht für jeden Tag ein idealer Start!
Schmeckt aber trotzdem!

Sardinhas – frische Sardinen

Zu Mittag geht’s dann nochmals etwas üppiger zu und her. Als ewige Seefahrernation verstehen auch die Portugiesen, wie viele Völkchen am Meer, ein, zwei Dinge über die Zubereitung von Meeresgetier. Fisch kommt oft und gut auf den Tisch. Sardinen, Doraden, Wolfsbarsch, Seezunge, Schwertfisch und so fort. Und an einem kommt bestimmt keiner vorbei: bacalhau – Stockfisch, allseits beliebt und stets vorne mit dabei. Auch wer glaubt, er mag keinen Stockfisch… Zwei Wörter: lerne es!

Stockfisch, sprich geköpfter und während mehreren Wochen an der frischen, salzigen Meeresluft auf Holzgestellen getrockneter Fisch, zumeist Kabeljau, findet sich in Portugal landesweit nicht nur an den Küsten auf jeder Speisekarte wieder. Bacalhau verbindet Mysthik, Tradition, Kultur und vorallem Geschichte in einem.
Besonders früher wurde Stockfisch für lange, hungerzehrende Seereisen zur Verpflegung der Schiffsmannschaften hergestellt und so hat sich diese Konservierungsmethode über die Jahrhunderte hinweg bewährt und gilt auch heute noch als Tradition im ganzen Land.

Bacalhau – an ihm kommt keiner vorbei!

Fischkonservierung mit Salz

Der durchschnittliche Otto Normalportugiese konsumiert im Schnitt mehr als 20kg Bacalhau pro Jahr. Egal ob in alltäglichen Gerichten oder zu pompösen Festen, in der einfachen Strandbar oder im Fünfsterne-Gourmettempel – Bacalhau ist überall! Er wird roh gegessen, mariniert, gegrillt, gekocht, man verarbeitet ihn in Suppen, Salaten, als Vorspeise, Hauptgericht oder sogar Dessert.
Gerüchte und Legenden besagen es gäbe mehr als 365 Rezepte für Bacalhau – für jeden Tag des Jahres eines.
Das portugiesische Nationalgericht schlechthin!

Unbedingt probieren sollte man ausserdem eine der unzähligen Blutwurstvariationen, morcela, genannt. Ein klein bisschen kulinarischer Entdeckerwille und eine Portion Überwindung und Mut wird dabei dem einen oder anderen wohl abverlangt (siehe Grundregel Nummer 2). Aber es lohnt sich auf jeden Fall!

Rache ist Blutwurst

Oder gehört ihr auch zu denen, die bei Blutwurst gleich die Nase rümpfen? Tatsächlich fristet die Blutwurst in unseren Breitengraden eher ein Dasein als Mauerblümchen. Ich muss allerdings zugeben, dass mir die bei uns geläufige Blutwurst ebenfalls nicht sonderlich schmeckt. Die dicke, aufgedunsene Wurst, welche nach dem Garen knapp unter dem Siedepunkt ihr glibberiges Inneres aus gestocktem Blut über den Teller versaut, ist aber auch wahrlich kein Augenschmaus.

In den europäischen Südländern wie Frankreich, Spanien oder eben auch Portugal kennt man aber eine etwas andere Art der Blutwurst. Sie ist fester, ähnlich einer sehr weichen Salami, wird geräuchtert und anschliessend auch gerne mal gebraten oder grilliert. Je nach Region unterscheiden sich die Zubereitungsarten und verwendeten Zutaten mehr oder weniger. Schweineblut, Fett, Zwiebeln, manchmal auch mit Reis oder für die Zubereitung von moira auch gerne mit kräftig Rotwein durchmischt – schmeckt eigentlich immer! Wer also einmal über morcela oder spanisch morcilla stolpert, sollte also allem Zweifel zum Trotz zugreifen!

Was noch? Ach ja! Zum mitunter besten, was ich auf meiner Reise gegessen habe zählt leitão assado, knuspriges Spanferkel über Holzkohlen geröstet und besonders gerne an Festen (und davon gibt es in Portugal nicht wenige) serviert. Mit einem Pinsel aus frischen Lorbeerblättern wird der Schweinebraten laufend mit einer Mischung aus Essig, Kräuter und Knoblauch aromatisiert, bevor das knusprige Fleisch mit scharfen Messern vom Söili geschabt und zwischen zwei Brothälften versteckt wird. Keine Sauce, kein Kraut, kein Gemüse! Braucht es auch nicht! Das Fleisch hat derart viel Geschmack, da schmeckt es pur genossen einfach am besten!

leitão assado – Spanferkel vom Grill

Immer schön bepinseln!

Bom apetite!

 

 

Gegen vier Uhr zum Kafichränzli gibt’s dann nochmals einen ordentlichen Zuckerschock! Pastel de nata – ein landesweiter Klassiker! Wunderbar süsse Törtchen aus Blätterteig, in deren Liebesgrübchen sich Rahm, Eigelb und Zucker zu einer verführerisch süssen Crème sammeln. Kalorienzählen verboten! Für eines hat’s immer Platz – oder drei!
Sowieso kann (oder sollte?), wer durch Portugal reist, allfällige ambitöse Diäten ohnehin gleich in die Tonne kicken…

Pastéis de nata – zum dahinschmelzen!

Denn sind wir mal ehrlich: wer an einer der zahlreichen pastelerías vorbei schlendern kann -in deren Schaufenstern sich wohlbemerkt unzählige gezuckerte Köstlichkeiten, Torten und Kuchen stapeln- ohne dabei schwach zu werden oder zumindest einen flüchtigen, träumerischen Blick zu wagen, der hat entweder eine böse Zuckerallergie oder die kulinarische Ignoranz ganz alleine für sich gepachtet.

Da sage ich bloss: der oh so süssen Versuchung wiederstehen (siehe Grundregel Nummer 3) und auf geht’s auf einen verzuckerten Trip ins Nirvana…

(Klammerbemerkung zum Schluss)
Und ja, zu guter Letzt brauche ich wohl (zumindest für Kenner) nicht zu erwähnen, dass in Portugal seit mindestens 2000 Jahren Weinbau betrieben wird und heute einige ganz wohlschmeckende Weine weltweit exportiert werden, von Portwein selbstverständlich ganz zu schweigen. Dies würde wiederum jedoch erneut ein ganzes Kapitel füllen, weshalb ich daher getrost auf die endlosen Weiten des www verweise…

So schliessen wir diese Anklage.

Bom apetite!

3 Antworten to “Portugal”

  1. harissaliebe 8. Dezember 2013 um 16:50 #

    Ein toller Bericht über Portugal! Dieses Land ist wirklich unterschätzt. Meine Schwester hat eine Weile dort gelebt und meine Nicht wurde dort geboren. Ich finden das Land hat einen ganz besonderen Duft. Das hört sich sicher seltsam an, aber das habe ich noch nirgendwo so erlebt. Hast Du mal Medronho probiert? Den Schnaps, den es dort gibt? Ich sag nur: der hat es in sich!
    Viele Grüße
    Tanja

    • marco 9. Dezember 2013 um 15:56 #

      Hallo Tanja! Freut mich sehr, dass dir mein Bericht gefallen hat. Du scheinst auch eine ganz besondere Beziehung zu Portugal zu haben 😉
      Und ja, ich teile deine Meinung: da liegt tatsächlich ein unverkennbarer, ganz besonderer Duft in der Luft. Ich weiss nicht woher der kommt. Könnten aber die vielen Eukalyptusbäume sein, die ja dort gedeihen? In Galicien in Nordspanien, gleich an der Grenze zu Portugal, riecht es ähnlich, allerdings nicht so intensiv!

      Den Medronho-Schnaps kannte ich tatsächlich noch nicht. Das heisst, ich habe schon oft davon gehört, leider aber noch nie die Möglichkeit gehabt, ihn selbst zu probieren! Wird beim nächsten Portugal-Trip nachgeholt! Und der kommt bestimmt 😉

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  1. Im Norden nichts Neues | Kochpoetin - 1. Oktober 2014

    […] 1 getrocknete Chorizo, in dünne Scheiben geschnitten (ich: Moira, nähere Erläuterung dazu gibt es hier) […]

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