Südkorea

Seoul Delicious!? In Korea essen sie Hunde?

Kimchi, Bibimbap, Bulgogi: die koreanische Küche bietet eine Vielzahl an kreativen und mundwässernden Geschmackserlebnissen, die allerdings in grossen Teilen Europas noch weitestgehend unbekannt sind. Bei Italien denkt jeder sofort an Pizza und Pasta, bei Frankreich schiessen einem Baguette und Brie durch den Kopf. Korea hingegen assozieren die meisten bloss mit LCD-Fernsehern und Kleinwagen.

Die insbesondere in Deutschland in den letzten Jahren rasant wachsende Anzahl an koreanischen Restaurants zeigt aber, dass dieser äusserst abwechslungsreichen Landesküche viel zuzutrauen ist. Die Schweiz hinkt hier, wie üblich, mal wieder etwas hinterher. Die kulinarischen Uhren in unserem Land ticken eben einfach etwas langsamer. Alle neugierigen Leser darf ich aber bereits an dieser Stelle schon warnen. Der heutige Beitrag entführt eher auf eine kulinarische Geisterbahnfahrt als auf wirklich appetitanregende Gaumenfreuden. Die nachfolgenden Bilder dürften daher für zartbesaitete Gaumen nicht geeignet sein.

Über Horizonte schauen und sich auf neue Abenteuer einlassen? Auch darum geht es während dieser Reise. Und ja, das bezieht wohl auch die Geschmacksnerven mit ein! Eklige Dinge werden auf der ganzen Welt gegessen. Von Madenkäse in Sardinen, über halbwegs angebrütete Enten-Embryos in den Phillipinnen bis hin zu vergorenem Haifisch in Island. Peruaner pürieren Frösche, Chinesen dippen Mäusebabys in Sojasauce und in Mexiko und Kambodscha gehören frittierte Insekten und Ameisenlarven für viele Einheimische zum normalen Küchenalltag. Auch Korea macht da keine Ausnahme und nimmt heute meinen Gaumen auf eine ziemlich aussergewöhnliche Entdeckungsreise mit – eine bizarre Gratwanderung zwischen Genuss, Mut und Ekel. Andere Länder, andere Essgewohnheiten…

Die „armen, süßen Tierchen“…

…mag der ein oder andere jetzt denken. Und zugegeben, der Gedanke daran, einen Hund zu verspeisen, verdreht einem hierzulande den Magen. Immerhin gilt er in unserer Kultur als der beste Freund des Menschen. Allerdings ist Essen immer eine Frage der Kultur. Offizielle Zahlen der koreanischen Hundefleischbranche konnte ich leider keine finden, aber Schätzungen zufolge werden hier jedes Jahr über zwei Millionen Hunde gegessen. Der Verzehr ist zwar, ähnlich dem Walfisch-Konsum in Japan, rückläufig, da insbesondere die junge Generation zunehmend auf McDo & Co. schwört, als sich mit den althergebrachten Spezialitäten aus Grossmutters Küchenschatz abzugeben. Den Jungen ist der Appetit auf Hundefleisch offensichtlich vergangen, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass mehr und mehr Koreaner sich dem europäischen Vorbild gleich einen Hund als Haustier halten.

Wie man mir aber erzählt, hat das Essen von Hunden in Korea eine lange Tradition. Wie viele fragwürdige Speisen dieser Art, soll angeblich auch der Verzehr von Hundefleisch für Superkräfte sorgen und insbesondere im Sommer helfen, die Hitze besser zu überstehen, weshalb auch viele alte Menschen heute noch auf ihren Hundeeintopf schwören. Obwohl aber der Konsum von Hundefleisch hier aus der Mode kommt, zeigt ein Gang über den lokalen Markt, dass man vielerorts nach wie vor noch deren Fleisch erstehen kann. In kleinen Garküchen nebenan werden die soeben erstandenen Stücke dann auch gerne von den Köchen vor Ort wunschgemäss zubereitet.

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Und ja: ich habe probiert.

Aus Neugier, aus Interesse. Keinesfalls, weil ich mir etwas beweisen wollte. Land, Leute und Kultur einer Destination lernt man eben auch über deren lokale Spezialitäten kennen und über einer dampfenden Schüssel Hundeintopf (ich weiss, das liest sich schrecklich!) habe ich mit den Einheimischen ein paar äusserst interessante Dialoge zu dem Thema geführt. Dass ich zwischen all den Locals einmal mehr der Star und die Attraktion des Tages war, brauche ich wohl nicht weiter zu erwähnen.

Geschmacklich erinnert das ganze an Rindfleisch, mit leichtem Einschlag zu Wildbret. Keineswegs ungeniessbar, im Gegenteil. Es hat einen äusserst kräftigen, leicht süsslichen Geschmack, eine leicht gewöhnungsbedürftige, gummiartige Fettschicht und spült sich am besten mit eisgekühltem Soju, koreanischem Reisbier, die Kehle runter 🙂

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Das eigentlich Highlight aber ist die Brühe, in welcher der geschlachtete Bello serviert wird. Eine wunderbare, vor Kraft strotzende Suppe, welche mit Sesamblättern und wilden Sesamsamen angemacht wird. Sie schmeckt leicht scharf, nussig und bietet ein komplexes Aromenspektrum, wie ich es noch selten zuvor gekostet habe.

Was viele nicht wissen: auch in der Schweiz werden Hunde (ja sogar Katzen) verspiesen, wenn auch von einer verschwindend kleinen Anzahl. Gängige Statistiken gehen von rund 3% der Bevölkerung aus. Tatsächlich habe ich selbst in der Schweiz von einem Appenzeller Bekannten scho mal Mostbröckli (luftgetrocknetes Hundefleisch) serviert bekommen.

Was allerdings mehr erstaunt: im Gegensatz zu Deutschland und Österreich ist der Verzehr dieses Fleisches in der Schweiz nicht mal verboten. Zum Eigenverzehr darf quasi jeder in der Schweiz sein eigenes Haustier schlachten. Gäste zum mit Rosmarin gespickten Hundebraten einzuladen wäre folglich schon wieder verboten. Irgendwie verwirrend. Und trotzdem wahr.

Aber bisseguet, sind wir mal ehrlich: kaum einer von uns hat wohl schon jemals eine Träne verdrückt, wenn er seine Zähne gierig in einen saftigen Hamburger geschlagen hat? Schon mal auf einem industriellen Schlachthof gewesen? Da muss mir weiss Gott niemand erzählen, dass die gestressten Kühe dort, mit dem sich ganz bestimmt bewussten sicheren Tod vor Augen, keine Todesqualen leiden. Und wem es vor Eingeweiden graust, dem darf getrost vor Augen geführt werden, dass die Kuh bedauerlicherweise leider nicht nur aus Filet und Entrecôte besteht.

Fairerweise darf man aber anmerken, dass bei Hundefleisch nicht nur ethische, sondern auch praktische Bedenken in die Wagschale geworfen werden dürfen. Es gilt anzuzweifeln, dass Hunde und Katzen, auch von den wenigen entsprechenden Konsumenten in der Schweiz, stets tierschutzkonform getötet werden und durch fehlerhaftes Ausführen extremes Tierleid entsteht – denn auch bei uns bestehen dazu keine gesetzlichen Vorschriften zur Tötungsmethode.

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Wenn das Essen vom Teller zu fliehen versucht…

Aber zurück zu Korea. Zu den weiteren infernalischen Delikatessen hier gehört der Oktopus. Klingt eigentlich nicht schlecht, ich weiss. Ich mag Oktopus – sofern man ihn richtig zubereitet. Oder überhaupt zubereitet. Aber genau dies tun die Koreaner nicht. Für sannakji muss das Tier nicht nur roh verzehrt werden, sondern auch noch so lebendig wie möglich. Warum? Weil es natürlich die Potenz fördert. Angeblich. Es ist ein Gericht, das überall in Korea zu haben ist und in dessen „Genuss“ ich einmal mehr, durch einen lokalen Gourmeur gekommen bin.

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Die kleinen Tintenfische, werden mit dem Messer in Stücke geschnitten und landen noch zuckend auf dem Teller. Für gewöhnlich werden die zappelnden Tentakel mit Sesamöl und Sesamkörnern garniert und mit Stäbchen kurz in scharfer Bohnenpaste oder Sojasauce mit Wasabi getunkt, bevor man sich mit den glitschigen, zappelnden Saugnäpfen den Gaumen kitzeln lässt. Nun denn, jeder der schon mal eine Auster verputzt hat bedenke bitte sehr: auch die hat noch gelebt! Im Gegenzug lebt der Oktopus hier nicht mehr wirklich, es sind lediglich die Zellmembranen, sprich kleinere Nervensammlungen in den Fangarmen, die hier noch tanzen. Trotzdem: das Gefühl, wenn sich die Tentakel an deiner Zunge und im Rachenraum festsaugen ist mehr als nur befremdlich.

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Beim Genuss von sannakji ist allerdings Vorsicht geboten. Weil die einzelnen Stückchen noch aktiv sind, besteht die Gefahr, dass sie sich im Rachenraum festsaugen und so zum Erstickungstod führen. Das Essen wurde schon so manchem übermütigem Gourmet zum Verhängnis, denn in seinem Überlebenskampf hält sich der Tintenfisch mit seinen Saugnäpfen an allem fest, das er Greifen kann. Zur Not auch an Zunge und im Hals – es gibt anscheinend jedes Jahr mehrere Tote in Korea. Nun, man könnte wohl auch von ausgleichender Gerechtigkeit sprechen.

Falls es jemanden interessiert, wie das Ganze im Detail abläuft, der darf sich meinen Video auf Facebook anschauen. Habt Geduld, das Laden dauert eventuell etwas länger!

Wie schmeckt eigentlich…?

Die letzte und für mich definitiv skurrilste Seltsamkeit, die ich mir hier zugeführt habe, war Weichpanzerschildkröte, als Suppe serviert. Das Tier steht für Langlebigkeit, Stärke und Ausdauer – es ist also nicht weiter erstaunlich, dass in vielen Ländern, von der Mongolei über China, Vietnam und Korea bis nach Japan Schildkröten auf dem Speiseplan landen. Der Mensch ist das erfolgreichste Raubtier aller Zeiten und nahezu alles, was er streicheln kann, wird er früher oder später auch kochen. In vielen tropischen Ländern gehört die Schildkröte deshalb seit jeher zum klassischen Nahrungsmittelrepertoire. Schildkrötensuppe, also Rinds- oder Kalbsfuss mit Sherry, Cognac, Curry und gewürfeltem Schildkrötenfleisch wurde bis ins 20. Jahrhundert auch in Europa in den besten Häusern serviert.

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Der überaus freundliche Besitzer der Eckkneipe, in der ich diese lokale „Spezialität“ zu mir nehmen durfte, konnte dank seines nach Australien ausgewanderten Sohnes relativ gut Englisch und es war mehr als nur spannend, mich ausgiebig mit ihm zum Thema kulinarische Gratwanderungen in Korea zu unterhalten.

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Trotzdem: Schildkrötenfleisch weckt in meinen Augen keine nennenswerten kulinarischen Begehrlichkeiten. Das proteinreiche, helle, leicht glibberige Fleisch ist eher neutral geschmacklich zwischen Fisch und Truthahn angesiedelt. Dazu serviert man Reisschnaps mit Schildkötengalle. Schmeckt, trotz der gallig-giftig-grünen Farbe nur nach Schnaps 😉

Ich bleibe wohl dabei, dass ich lieber mit den putzigen Tierchen tauche, als dass sie im Kochtopf versenkt werden. Erstaunlicherweise richtig, richtig gut geschmeckt haben die Eingeweide (Leber, Hirn, Herz, Hodensack) der Schildkröte – I now, call me a freak, aber Verschwendung wäre hier definitiv am falschen Platz gewesen!

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Darüber hinaus gab es am heutigen Tag noch ein paar weitere, durchaus skurrile und fremd anmutende Leckerlis, die ich mir heute ausnahmsweise gegönnt habe. Ich darf zugeben, dass ich nicht unglücklich bin, es probiert zu haben, aber ich mich auch freue, morgen wieder auf Reis, Nudeln & Co. umzusteigen…

Nun denn, mit diesem Post habe ich mich sicherlich auf hauchdünnes Glatteis gewagt und jede Menge haters und hinreichend Stoff für Diskussionen hervorgerufen, dem bin ich mir durchaus bewusst. Trotzdem: jedes Land hat nun mal seine (Ess)kultur und die, finde ich, sollte (weitestgehend) auch von anderen Ländern akzeptiert werden. Und bei all der angeblich Potenz-, Energie- und Lebensdauer fördernden Kost, die ich heute zu mir genommen habe, würde es mich nicht überraschen, wenn ich morgen als grüner Hulk aufwache! Brauche ich noch ein Flugzeug, um nach Hause zu kommen? Oder fliege ich vielleicht gleich selbst? 😉

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Wie auch immer. Ich freue mich jedenfalls auf die haufenweise zu erwartenden bösen Kommentare…

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