Tag Archives: Kartoffeln

Ribollita

4 Jan

Über den Tellerrand 2016

Ein neues Jahr steht also in der Tür und kurz in den Rückspiegel geblickt, darf ich zufrieden sagen: 2015 war für mich ein Spitzenjahr, in jeglicher Hinsicht! Und wie üblich, wenn der Jahreswechsel sich nähert, mache ich mir -sowohl beruflich als auch privat- ein paar Gedanken zu den nächsten 365 kulinarischen Tagen, die auf uns warten.

Zeit also, ein weiteres Kapitel im endlosen langen Lamento über Trends in der Kulinarik zu schreiben. Mein kulinarisches Jahreshoroskop 2016: was kommt, was geht, was bleibt?

Meine nicht repräsentative Trend-Prognose ist in den meisten Fällen auf Reisen, Messen, Festivals und während Restaurantbesuchen am Gaumen selbst erlebt oder aber gründet auf Erfahrungen und Erkenntnissen in Gesprächen mit Produzenten, Köchen, Kulinarikern und Foodies. Weitere Inputs fliessen aus Blogs, Magazinen und anerkannten Fachzeitschriften mit ein. Und ein bisschen persönliches Wunschdenken mischt natürlich auch mit 😉

Also dann, holt euch Kaffee und ein paar Kekse und macht’s euch auf dem Sofa bequem: denn wie üblich, dauert das hier etwas länger… Weiterlesen

Geschmorte Kalbsbäggli ∣ Vanille-Barolo-Jus ∣ Birnen-Kartoffelstock

14 Feb

Yippie Yah Yei – Kalbsbacke!

Nose to tail eating – also ein Tier von der Schnauze bis zur Schwanzspitze zu verwerten, inspiriert momentan zahllose Köche, Küchen und Konsumenten zu einem bewussteren und vor allen Dingen respektvolleren Umgang hinsichtlich unserem Fleischkonsum. Vielen wird dadurch erst jetzt allmählich bewusst, dass es auch abseits von Filet & Co. Gaumenfreuden gibt, die kulinarischen Kniefall abverlangen.

Rinderzunge, Schweineherz, Lammhirn – zugegeben, auch mein Verständnis von einer mundwässernden Mahlzeit ist noch nicht ganz so weit, dass besagte Produkte ohne Weiteres den Weg in meinen Einkaufswagen finden würden. Kommt Zeit, kommt Experimentierfreude. Man muss sich ja auch nicht gleich ein Haus aus Schweinskopfsülze bauen.

Allerdings gibt es innere Werte, die sich -schön herausgeputzt- auch auf meinem Teller durchaus gerne präsentieren. So gehören Leckerlis wie Markknochen, Schweinsleber oder eben auch Kalbsbäggli schon seit jeher zu gerne gesehenen Darstellern in meiner Küche. Aber Vorsicht: der gemeine Schweizer versteht unter dem Begriff „Bäggli“ (zu deutsch: Backe) oft das klassische Eckstück vom Kalb oder Schwein. Für ein schönes Schnitzel genau das richtige. Hier aber sprechen wir von Kalbskopfbacken, also dem Kaumuskel des Tiers – ein Gericht, das leider nur wenige Leute kennen. Ein ganzes Kalb hat genau zwei dieser Backen. Na, wer hätte das denn gedacht!?

Wer die Backen schon am Vortag aufsetzt und ordentlich durchschmoren lässt, der macht so ziemlich alles richtig, was man richtig machen kann. Und um keinen Tropfen der köstlichen Sauce zu verschwenden, serviert man die Bäggli am besten mit Stock oder Polenta. Also, mein Appell an alle, die sich bisher davor geziemt haben: Kulinarischen Horizont erweitern und mal etwas probieren, dass man vorher noch nie gekostet hat! Weiterlesen

Gnocchi alla primavera

11 Mär

Raus aus dem Winterschlaf

Gemüsetechnisch herrscht ja momentan immer noch die kalte Jahreszeit auf unseren Tellern vor und frisches Gemüse gilt nach wie vor als Mangelware.
Klar, in der Grünfutter-Abteilung der Detailhändler finden sich ganzjährig irgendwelche saisonverirrten Vitaminspender, aber gewöhnlich lasse ich diese kopfschüttelnd, wenn auch teilweise etwas wehmütig, liegen.

Für den Sonntagsschmaus von vergangenem Wochenende standen daher eigentlich Wintergemüse-Pakoras auf dem Menuplan. Und die hätten bestimmt hervorragend geschmeckt. Unverhofft aber hat dann am Freitag Mösiö Früühüüling an die Tür geklopft, mich spontan um den Finger gewickelt und den kulinarischen Kalender auf den Kopf gestellt.

So kam es, dass ich am Samstag nachmittag mein Glück im Wald versucht habe. Und auf Mutter Natur ist eben immer noch Verlass: Bärlauchfieber pur – unüberriechbar! So früh wie dieses Jahr habe ich ihn tatsächlich noch nie gefunden. Vielerorts streckt die Hexenzwiebel, wie sie hierzulande manchmal auch genannt wird, ihre Knospen bereits schon aus der Erde und lockt Gourmets wie mich in die Wälder.

Und soviel lässt sich sagen: dem nahezu tropischen Winter sei dank, schlägt es tatsächlich schon bald fünf vor zwölf, wer denn die schönen, momentan noch sehr milden Sprösslinge ernten und konservieren möchte. Später, wenn die Blätter grösser sind, werden sie nur bitter und sind umständlich zu waschen.

Wer mich kennt oder hier schon im letzten Frühling mitgelesen hat, der weiss, dass ich meine geheimen Bärlauchgründe, ähnlich den Pilzsammlern, wie ein Staatsgeheimnis hüte. Nun denn, immerhin habe ich damals mein Rezept für Bärlauch-Tomaten-Pesto geteilt.

Als ersten Frühjahrsboten sende ich dieses Jahr einen dampfenden Teller Ricotta-Gnocchi gepaart Frühlingskräutern, Büffelbutter und Soffrito aus meiner Küche. Das nenne ich Glücksgefühle kochen! Ich bin selten so zufrieden vor einem leeren Teller gesessen.

Also Leute: ran bzw. raus an die Waldränder, immer der Nase nach und holt euch den Lenz auf eure Teller.

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Züri-Gschnätzlets

12 Dez

So fein kann Zürich sein

Bevor sich einige von euch ob der unaussprechlichen Wortkombination einen Knoten in der Zunge einfangen, hier die gängige Übersetzung: in Streifen geschnittenes Kalbfleisch in typischer Sahne-Champignon-Sauce.
Eines meiner Leibgerichte par excellence.

Züri-Gschnätzlets oder eben geschnetzeltes Kalbfleisch nach Zürcher Art (man beachte liebe Nachbarn im Norden: es heisst IMMER Zürcher und NIE Züricher!) ist wohl so ziemlich jedem halbsweg der Wiege entwachsenem Kind hierzulande ein Begriff.

Zürich hat damit ein Gericht kreiert, das -man staune!- sogar den von einer herzlichen gegenseitigen Abneigung geprägten Kantonsrivalen schmeckt. Man munkelt, sogar die Basler fressen hin und wieder gerne mal ein paar geschnetzelte Zürcher.

Kulinarischen Kniefall hat das Kalbsgeschnetzelte in rahmgeschwängerter Sauce aber auch allemal verdient. Ob ins Original nun wirklich auch noch Kalbsnieren gehören, darüber streiten sich aber bis heute die Experten. Wahre Gourmets entscheiden sich für die Variante mit Innereien und werden nicht enttäuscht sein.

Im Zeitalter der „Ich-will-nur-das-Filet-essen“-Gesellschaft führen aufgrund der sinkenden Nachfrage allerdings immer weniger Metzger derartige Spezialitäten. Nur all zu oft wird man mit einem müden „Jää, das müend sie vorbstelle!“ abgewimmelt. Schade eigentlich.

Fest steht aber: das Gericht ist ein absoluter Klassiker und hält sich im Ranking der beliebtesten Gerichte von Herr und Frau Schweizer seit Jahren konstant weit oben. Der orange Detailriese Migros hat dazu im letzten Jahr sogar eine eigene, limitierte Pommes-Chips-Reihe lanciert (sic!).

Als Begleiterin findet das Fleischgericht aber tatsächlich keine attraktivere Partnerin als eine goldgelb gebratene, knusprige Rösti. Ob die nun mit rohen oder gekochten Kartoffeln zubereitet wird, ist schlussendlich nur noch Glaubensfrage.

Das erste bekannte Rezept für Züri-Geschnätzlets taucht übrigens erst 1947 in einem helvetischen Kochbuch auf. Man könnte meinen, dies sei ein uraltes alpenländisches Rezept, aber in alten Schweizer Kochbüchern sucht man danach vergeblich. Was wiederum daran liegen könnte, dass es wohl von Anfang an eine Kreation der städtischen Gastronomie war, wie ich vermute.

Wo halt viel Geld war, da konnte man sich Fleisch schon immer leisten 😉

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